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Auswahl der Auswertungsmethode

Oberkapitel: IV. Datenauswertung

Auswahl der Auswertungsmethode

Nach der Datenerhebung erfolgt die Auswertung der Daten und des Materials. Folgende Auswertungsmethoden können in der qualitativen Forschung unterschieden werden:

  • Kodierung und Kategorisierung
  • Narrative und hermeneutische Analysen
  • Konversations- und Diskursanalyse

Kodierung und Kategorisierung

Zu der Auswertungsmethode des Kodierens und Kategorisierens lassen sich folgende Varianten zuordnen:

  • das Theoretische Kodieren
  • das Thematische Kodieren und die
  • die qualitative Inhaltsanalyse


Theoretisches Kodieren

Das theoretische Kodieren ist das Analyseverfahren für Daten, welche erhoben wurde, um eine gegenstandsbegründete Theorie zu entwickeln (Glaser & Strauss, 1967/1998; Strauss &Corbin, 1990/1996).

Kodierung beinhaltet hiernach den ständigen Vergleich zwischen Phänomenen, Fällen, Begriffen etc. und die Formulierung von Fragen an den Text. Hierbei werden dem empirischen Material Begriffe bzw. Kodes zugeordnet, die zunächst möglichst nahe am Text und später immer abstrakter formuliert werden sollen. (Flick, 2010)

Kategorisierung bezeichnet in diesem Prozess die Zusammenfassung von solchen Begriffen zu Oberbegriffen und die Herausarbeitung von Beziehungen zwischen Begriffen und Oberbegriffen bzw. Kategorien und Oberkategorien. Die Entwicklung einer Theorie beinhaltet die Formulierung von Kategorien bzw. Theorien als Begriffsnetze und der Beziehung zwischen ihnen. (Flick, 2010)

Innerhalb des Interpretationsvorgangs des theoretischen Kodierens können die verschiedenen Verfahren „offenes Kodieren“, ,,axiales Kodieren“ und „selektives Kodieren“ unterschieden werden. Sie sollen aber nicht als getrennte Vorgehensweisen verstanden werden, sondern stellen vielmehr unterschiedliche Umgangsweisen mit Textmaterial dar, zwischen denen bei Bedarf gewechselt und die miteinander kombiniert werden können. (Flick, 2010). Der Interpretationsprozess mit offenem Kodieren steht dabei am Beginn, das selektive Kodieren eher am Ende des Analyseprozesses.

Thematisches Kodieren

Dieses Verfahren wurde für vergleichende Studien entwickelt, die mit aus der Fragestellung abgeleiteten, vorab festgelegten Gruppen arbeiten. Es wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass in unterschiedlichen sozialen Welten bzw. sozialen Gruppen differierende Sichtweisen anzutreffen sind. In der Interpretation des Materials wird das thematische Kodieren mit Blick auf die Vergleichbarkeit der Analysen als ein mehrstufiges Vorgehen angewendet. (Flick, 2010)

Qualitative Inhaltsanalyse

Die qualitative Inhaltsanalyse beinhaltet mehrere Verfahrensweisen zur systematischen Textanalyse, wobei versucht wird, die Vorteile der quantitativen Inhaltsanalyse zu bewahren und auf qualitativ-interpretative Auswertungsschritte zu übertragen und weiter zu entwickeln. (Mayring, 2000) Sie kann einerseits zur Interpretation von Forschungsmaterial eingesetzt werden, andererseits gleichzeitig als Entscheidungsgrundlage für weitere Datenerhebungen dienen. Die qualitative Inhaltsanalyse kann zur Ausweitung wie auch zur Verdichtung von Textmaterial dienen (Flick, 2002).

In der qualitativen Inhaltsanalyse können nach Mayring (2002) drei Formen unterschieden werden:

  • Die zusammenfassende Inhaltsanalyse, die das Textmaterial zu einem Kurztext unter Beibehaltung der wesentlichen Inhalte reduziert,
  • die explizierende Inhaltsanalyse, die versucht, die untersuchten Inhalte so gut wie möglich – auch unter Hinzuziehung sonstigen Materials, Hintergrundwissens usw. – verständlich zu machen, und
  • die strukturierende Inhaltsanalyse, die das Textmaterial unter bestimmten Kriterien analysiert, um spezifische Aspekte besonders herauszuheben.

Zudem entwickelte Mayring (2000) die induktive und deduktive Strategie der qualitativen Inhaltsanalyse:

  • Die induktive Kategorienbildung beinhaltet die Entwicklung von Kategorien (oder Codes) anhand des Textmaterials, unter welche die Inhalte oder sonstigen Textmerkmale subsumiert werden können
  • Bei der deduktiven Kategorienanwendung, bei der schon vorher festgelegte, theoretisch begründete Auswertungsaspekte an das Material herangetragen werden.

Narrative und hermeneutische Verfahren

Narrative Analysen

Narrative Analysen werden zur Auswertung von Texten von narrativen Interviews verwendet, wobei die Analyse des subjektiven Sinns und der Bedeutung im Fokus steht. Die Anwendungsgebiete liegen vorwiegend in der Biographieforschung. In der Literatur wird zwischen zwei narrativen Analyseverfahren unterschieden (Flick, 2010):

  • die Analyse narrativer Interviews zur Rekonstruktion von Ereignissen
  • die Analyse narrativer Daten als Lebenskonstruktion

Während die Analyse narrativer Interviews zur Rekonstruktion von Ereignissen davon ausgeht, dass sich das Erzählte auch tatsächlich so ereignet hat, richtet sich die Analyse narrativer Daten als Lebenskonstruktionen auf die Konstruktionen von Ereignissen im Alltag und Alltagswissen. Die Analyse beschäftigt sich mit Lebensgeschichten als soziale Konstruktion, die in ihrer konkreten Ausformung auf Mustererzählungen und Lebensgeschichten zurückgreifen.

Das Vorgehen bei der Analyse narrativer Daten kann wie folgt zusammengefasst werden (Rosenthal & Fischer-Rosenthal, 2000 zit. in Flick, 2010):

1. Analyse der biographischen Daten (Ereignisdaten)
2. Text- und thematische Feldanalyse (sequenzielle Analyse der Textsegmente des Interviews – Selbstpräsentation)
3. Rekonstruktion der Fallgeschichte (erlebtes Leben)
4. Feinanalyse einzelner Textstellen
5. Kontrastierung der erzählten mit der erlebten Lebensgeschichte
6. Typenbildung

Objektive Hermeneutik

Der Ansatz der objektiven Hermeneutik wurde ursprünglich von Oevermann et al. (1979) für die Analyse familientherapeutischer und sozialisationssoziologischer Untersuchungen entwickelt. Im Laufe der Zeit wurde die objektive Hermeneutik auf die Analyse unterschiedlicher Dokumente ausgedehnt u.a. auch aus den Bereichen Kunstwerk und Foto ausgedehnt. Ziel dieses textanalytischen Verfahrens ist es, zwischen den einzelnen subjektiven Bedeutungen einer Äusserung oder Handlung und der objektiven Bedeutung (latente Sinnstrukturen) zu unterscheiden. (Flick, 2010)

Konversations- und Diskursanalyse

Konversationsanalyse

Die konversationsanalytische Forschung beschäftigt sich mit der Analyse von Alltagsgesprächen, wobei die formalen Aspekte von spezifischen Rollenverteilungen zunehmend im Vordergrund stehen. Die betrifft v.a. Gespräch, die in einem institutionellen Kontext stattfinden, z.B. Beratungsgespräche, Arzt-Patienten-Interaktionen oder Gerichtsverhandlungen. Inzwischen wird die Konversationsanalyse auch angewendet, um schriftliche Texte und Massenmedien oder Gutachten zu analysieren. (Flick, 2010)

Diskursanalyse

Die Diskursanalyse hat sich aus der Konversationsanalyse entwickelt und wird in der Literatur oft als eine Form der Konversationsanalyse behandelt. Die Diskursanalyse will auch zeigen, wie Kommunikation über einen bestimmten Gegenstand organisiert ist, hat allerdings einen breiteren Fokus hinsichtlich des Materials, das analysiert werden soll. Zudem richtet sich der empirische Fokus stärker auf die Praktiken der Kommunikation und Konstruktion von Versionen des Geschehens in Berichten und Darstellungen. (Flick, 2010)

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